Von gefangenen, zu lächelnden Bären
24. Januar 2015, 10:51
Mit dem fünfzigsten Bären, der in Nanning eine Gesundheitsuntersuchung bekam, gibt es diese Woche etwas zu feiern. Sogar der Geschäftsführer der „Hua Hua Flower World”, Herr Yan, mittlerweile Bärenretter, kam mitsamt seiner Familie und seinem amtlichen Vorgesetzten vorbei, um zu schauen, wie die Dinge sich entwickeln. Alle bemerkten höflich die offensichtliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bären – es war einfach sehr nett, überall lauter lächelnde Gesichter zu sehen.
Willkommen „Ronnie aka John“, Bär Nummer 50! Der Name wurde von unserer großartigen Helfergruppe in London gestiftet und gilt einer Bärin, die durch „schlechten Körperzustand und sichtbarem Mark der unteren Reißzähne …“ auffiel und deshalb zur Gesundheitsuntersuchung musste.
Die Bärin, die hier auf dem Tisch ruhig unter Narkose atmet, hat jetzt einen Körperzustand, auf den jeder Gesundheitsguru stolz wäre. Ein herrlich glänzendes und dichtes schwarzes Fell, gut definierte Muskeln und eine tolle Statur. Während ihres Daseins als Gallebärin auf einer Farm, erging es ihr leider weniger gut. Zähne und Klauen wurden grob zurückgestutzt, den Vorderpfoten fehlen nun die Krallen und bei allen Reißzähnen tritt das Mark hervor und die Nerven der Zähne liegen offen. Die Backenzähne sind zerbrochen und verfault. All das wird dafür sorgen, dass Tierarzt Eddie und seine Helferinnen Vicki und Emily einen sehr langen Vormittag vor sich haben werden.
Bei der Rasur des Bauches für den Ultraschall kam ein weiterer schrecklicher Befund zu Tage. Eine lange und tiefe Narbe wurde entdeckt, die sich über den ganzen Bauch hinweg erstreckt. Zunächst nahmen wir an, sie könnte auf der Farm eine Zuchtbärin gewesen sein und diese Narbe sei Überbleibsel eines brutal vorgenommenen Kaiserschnitts. Aber die Form und Lage der Narbe legte schließlich näher, dass sie von einer Falle stammen musste, mit der das Tier gefangen wurde, bevor man es einsperrte und auf eine Farm brachte. Eine geradezu groteske Naht ragte noch aus der Haut, offenbar verrichtet mit einem Faden, dick wie ein Schnürsenkel, wie es leider oft der Fall ist. Die Überreste dieser Operation sind entweder verrottet oder wurden vom Körper im Laufe der Zeit abgestoßen.
Glücklicherweise kam Ronnie aka John mit Bravour durch die Zahnbehandlung. Sie legte einen bemerkenswerten Appetit an den Tag, als sie sich von der Narkose und der Entfernung mehrerer verfaulter Zähne erholte. Gleich am nächsten Tag war sie wieder voll da, lag auf ihrer kleinen Terrasse und ließ sich den Bauch von der Sonne aufwärmen.
Die Fähigkeit der Bären, sich zu erholen, ist unglaublich. Wir sind immer wieder erstaunt darüber, wie sie Prozeduren ertragen, die uns größte Schwierigkeiten machen würden. Obwohl sie noch nicht so weit war um herum zu planschen, wussten wir, dass das nicht lange auf sich warten lassen würde. Auf dem Bild, das kurz vorher entstand, kann man gut erkennen, wie sehr Ronnie aka John ein Bad genießt und welche Vorliebe sie für die guten Dinge im Leben hat.
Mit größter Anerkennung an unser Bären- und Tierärzteteam, das letzte Woche vor Ort war Ai, Heidi, Nic ...
... Eddie, Emily und Vicki…
… plus Ai Chaojun, Xue Zhi Lin, Lin Run Sheng und Leng Xiang Jian.
Lob auch für unsere sehr geduldige Übersetzerin Kate und das gegenwärtige Personal in Nanning, das für die richtige Pflege der Bären trainiert wurde: Pan Mingyang, Qin Dalei, Ruan Chaoxi, Liang Meilu, Huang Shuyu, Liang Yanlin, Li Xiechen, Su Meirong.
Offen gesagt, gibt es neben den Fortschritten beim Training auch immer wieder Rückschläge, aber wir erleben gute Leute, die erkennen, dass ihre Arbeit das Leben der Bären verbessert und, was noch wichtiger ist, warum sie diese Arbeit tun.
Die Bärenställe sind zurzeit ungewöhnlich ruhig, weil die Bären ganz einfach volle Bäuche und einen Zugang zu Wasser haben. Es gibt keine Ängste mehr, nicht genug Wasser abzubekommen, sobald ein Schlauch in die Nähe kommt, wie es auf der Farm der Fall war. Jetzt wissen sie, dass sie zu jeder Zeit trinken können, wenn ihnen danach ist.
Pfoten, die vormals schrecklich ausgetrocknet und rissig waren, werden wunderbar geschmeidig. Lediglich an den Rändern gibt es noch Stellen, die heilen müssen. Sidney, auf dem nächsten Bild, beweist, dass aufopfernde Pflege die härtesten Pfoten erweicht.
Die Käfigtüren sind offen und führen auf einen kleinen Vorplatz. Die Bären können hinaus und wieder zurück, wie sie gerade möchten. Bären wie Teresa kommen begeistert zurück in den Käfig der für Jahre ein enges Gefängnis war, um glücklich ihre Schüssel zu leeren und nach der Mahlzeit wieder hinaus zu gehen, um sich zu sonnen.
Die letzten Tage waren wunderschön und viele, vor allem junge Bären, planschten in ihren Becken herum, dass ihnen vor Freude fast schwindelig wurde.
Die jüngeren Bären verbringen jetzt ihre Tage, indem sie mit ihren Stallgenossen herumalbern. Manchmal vermisst man die verletzlichen kleinen Bärenbabies von letztem Jahr etwas.
Quinn, ein wunderschöner Halbwüchsiger mit einem sehr schönen Sichelmond auf der Brust und einem großen Herzen dahinter, war vor Fröhlichkeit ganz außer sich, als Ai Go und unsere großartigen Pfleger die Pools auffüllten und dabei noch eine großzügige Dusche verabreichten. Ai Go filmte das alles und wir freuen uns sehr, dass wir Quinns geradezu hysterisches Badevergnügen zeigen können. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie so viele der Bären ihre Freude zeigen können.
Kurz vor unserer Abreise konnten Vicki, Emily und ich uns nicht zurückhalten, Abbas Song "Take a Chance on Me" zu singen. Das Ständchen brachten wir Pickle Nicol auf Bitte von unserer großen Freundin und UK-Botschafterin Lesley Nicol (Mrs. Patmore, Downton Abbey). Lesley stand kürzlich mit "Mama Mia" auf der Bühne und besuchte uns in Nanning, um ihrem Bären einen Namen zu geben. Bei der Gelegenheit duschte sie ihren und andere Bären mit dem Schlauch, während sie allen "Take A Chance On Me" vorsang. Unglücklicherweise war unsere Darbietung schauderhaft, aber Pickle Nicol hörte höflich bis zum Ende zu und ich hatte sogar das Gefühl, sie wollte eine Zugabe.
Der übriggebliebene Reis, die restlichen Mandarinen und Bananen, die nach dem Mittagessen noch da waren, gingen selbstverständlich an die Bären. Eine Tradition, die nicht nur sie lieben. Wir mögen es auch.
Erwartungsvolle Gesichter schnellen hoch, nachdem sie geduldig darauf gewartet haben, an der Reihe zu sein, um dann mit sanften, spitzen Lippen den Leckerbissen entgegenzunehmen. Pickle Nicol jedenfalls liebte das unerwartete Extra und genoss wenigstens zehn Minuten lang die Mandarine. Sie hielt sie zwischen ihren klauenlosen Pfoten, biss vorsichtig immer wieder ein Stück ab und leckte sich den Saft von der Haut.
Der schöne Wolferine mit seinem Silberhauch auf dem Fell hingegen, vormals Zuchtbär, schlang alles hinunter. Ganze Mandarinen mitsamt der Schale und händeweise gekochter Reis. Beinahe hätten wir ihn enttäuscht zurückgelassen. Nach der Banane sah er spöttisch zu Vicky, die gerade dabei war, die Bananenschale wegzuwerfen. Sekunden später, nach Bärenmanier grinsend, verschlang er auch die Schale mitsamt dem harten Ende!
Smudge, der kleine Welpe, entwickelt sich zu einer echten kleinen Prinzessin! Sie geht davon aus, dass ihre Mandarinen geschält, die Äpfel fein säuberlich geschnitten und die Melonen entkernt serviert werden. Na gut, das mag ein wenig übertrieben sein, aber unter allen Bärenkindern, die wir aufziehen, wird Smudge wohl am meisten verwöhnt. Unser Team unternimmt alles, um der kleinen Waisen alles zu geben, was sie vielleicht in der Wildnis und mit einer Mutter gehabt hätte.
Ewigen Dank an Nic und alle in unserem Bären- und Tierärzteteam, für all die Kraft und den Humor, die sie bei der Arbeit auch in schwierigen Zeiten haben.
Alles in allem eine großartige Reise, mit einem noch großartigeren Team und mit Bären, die den Weg in ein neues Leben in Frieden eingeschlagen haben.
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