Herzlich willkommen Zuhause, ihr tapferen Bären
5. Oktober 2015, 19:08
Wie geschickt unsere letzte Rettungsaktion verlief, hat selbst mich überrascht. Unsere Teams in beiden Ländern – China und Vietnam – sind äußerst professionell im Transfer von Bären aus rostigen Farmkäfigen und im Umgang mit den unvermeidlichen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert werden – mit aggressiven oder nervösen Tieren und oft gefährlichen und nicht vorhersehbaren Umständen. Aber in rekordverdächtigen zwei Stunden waren alle Bären der erstbesuchten Farm schnell und sicher in unsere Transportkäfige verladen und zu den wartenden Lastwagen gebracht und auf ihre vierstündige Heimfahrt vorbereitet.
Diese Bären wurden auf der Farm unter furchtbaren Umständen gehalten – ohne freien Zugang zu Wasser, Stroh oder jegliche artgerechte Behaglichkeit – und waren alle nervös und haben gezögert, als sie ihre ersten mutigen Schritte in eine neue und unbekannte Welt machten. Aber Tierarzthelfer Richard legte größtes Können und Geduld an den Tag, als er die einzelnen Bären aus ihrer stinkenden Umgebung sicher in ihre neuen Transportkäfige lockte. Erst dann – als sie sichergestellt hatte, dass alles „in trockenen Tüchern“ war - konnte Annemarie, die Direktorin unserer Bären- und Veterinärteams, endlich erleichtert aufatmen.
Bereits jetzt, im sintflutartigen Regen, gaben die einzigartigen Persönlichkeiten der Bären dem Veterinär- und Bärenteam Hinweise, was sie in den kommenden Wochen und Monaten auf sie zukommen würde.
Da ist die aufbrausende Emmy, die brüllte, als wir zu nahe an ihren Käfig kamen. Verständlicherweise war sie ängstlich und machte von dem Täuschungsmanöver Gebrauch, das Bären an den Tag legen, wenn sie allein gelassen werden möchten.
Kay saß aufrecht wie ein Eichhörnchen und beobachtete jede Bewegung mit vorsichtigen, sanften Augen. Ihr armes, nacktes Gesicht und ihr Körper sind eine Hinterlassenschaft aus zu vielen schlimmen Jahren auf der Farm. Nur als schwacher „Triumph“ ihrer Spezies war der äußerst verblichene Halbmond auf ihrer Brust zu erkennen – ein wunderschönes „V“ –, das eines Tages mit Glück und unendlich viel Pflege wieder als ein gelber Mond in seiner voller Pracht erscheinen wird.
Und da ist Rose mit ihrem atemberaubend schönen Gesicht – eine Bärengöttin, die uns angstvoll angeblinzelt hat, aber mutig genug war, Richards Pfad aus kondensierter Milch, Honig und trockenen Früchten zu folgen und damit zweierlei Dingen entgegenschritt: In ihren neuen Käfig und in ihr neues Leben.
Long (Drachen): Ein langer, schlanker Junge, der uns alle überraschte, wie er langsam und stolz aus seinem alten Käfig schritt, und sich dann wortwörtlich ins Spiel warf: nach Bananenblättern schnappte, sie in der Luft herumwirbelte und dabei Purzelbäume schlug. Seine neu entdeckte Liebe zu Wasser war ebenfalls von Beginn an offensichtlich. Er hat sich immer wieder erwartungsvoll aufgerichtet, während wir eimerweise Wasser über seinen Körper und Kopf schütteten.
Als die Rettungsaktion weiter ging, konnte die Mutter des Farmbesitzers ihre Verachtung kaum verbergen und lief herum, während sie Beleidigungen vor sich hinmurmelte. Sie behauptete sogar, wir hätten ihre Bären gestohlen. Während es das Einfachste auf der Welt gewesen wäre, ihr in diesem Punkt scharf zu erwidern, wussten wir es besser. Vielleicht – eines Tages – wird es die Möglichkeit geben, sie einzuladen, um ihr diese Bären noch einmal zu zeigen: in saftigen, grasbedeckten Gehegen, wo sie spielen und rangeln und sich benehmen wie Bären.
Als Hoa und Quang Yen nun auch sicher auf den Laster geladen waren, war es an der Zeit zur zweiten Farm zu fahren und den einen verbliebenen Bären dort abzuholen.
Tuffy war ein weiterer langer und schlanker Kerl. Er war in einem Käfig neben einem Hund (ebenfalls eingesperrt) und neugierig Fremden gegenüber und stellte sich nervös auf seine beiden Hinterbeine, um größer zu wirken.
Für die Übersiedlung in unseren Transportkäfig wären schwierige Verhandlungsschritte und ein steiles Gefälle zu überwinden nötig gewesen. Daher hat Tierarzt Mandala entschieden, ihn zu betäuben und eine starke Plane und Stangen zu verwenden. Tuffy hat ruhig geschlafen und einen kurzen Gesundheits-Check erhalten, und in nur etwa zwanzig Minuten ist er wieder aufgewacht – in dem Käfig, der ihn nach Hause bringen würde.
Die Rettungsaktion war eine total emotionale Achterbahnfahrt für alle Betroffenen – angefangen von unseren Direktoren der beiden Länder und den Mitarbeitern, die uns dabei begleiteten (und jede einzelne Sekunde fabelhafte Hilfe und Unterstützung geleistet haben), bis hin zu den Mitarbeitern, die diese Rettungsaktion aus den Büros rund um die Welt unterstützten. Nur noch neun gefangene Bären sind in der Provinz geblieben, und die Behörden haben ihr Wort gehalten und uns unbeschreiblich viel geholfen. Wir sind überglücklich, dass wir damit einen Schritt näher am Ziel sind, ganz Quang Ninh in eine „Bärengallenfarm-freie“ Provinz zu verwandeln. Tuan, unser Direktor in Vietnam, und sein Team haben eine fantastische Kampagne geführt und mein endloser Dank gilt ihnen sowie unserem gesamten Kommunikationsteam.
Jetzt, wo sie zurück in Tam Dao sind, hat unsere neue Familie ihren Platz in unseren Herzen gefunden, und ihre individuellen Persönlichkeiten fangen so richtig an, zum Vorschein zu kommen.
Die kleine Kay macht weiterhin Gebrauch von ihrer reizenden Teddybär-Pose, und bekommt nun Schmerzmittel und andere Medikamente zur Behandlung des sicherlich unangenehmen Geschwürs auf der Hornhaut in ihrem geschwollenen rechten Auge. Sie hat ihr Frühstück am ersten Morgen nicht beachtet und uns alle in Sorge versetzt, doch sie war bis zum Nachmittag munter genug, um ein paar Mal vom Honig zu schlecken – und wagte sogar, dem Löffel einen freundlichen Klaps zu geben und mit ihm zu spielen. Ihr Charakter – ebenso wie ihr Aussehen und ihre Statur – erinnern mich so sehr an die kleine, mit Haarbälgen „übersäte“ Asia damals in Chengdu (möge sie in Frieden ruhen) – und ihre ruhige, friedvolle Art täuscht hinweg über ein Jahrzehnt oder mehr Gefangenschaft in einem Käfig.
Annemaries wöchentliche Berichte zeigen bereits die Fortschritte ihrer Genesung, wobei Emmy immer noch irgendwie aufbrausend ist, aber sich Momente erlaubt, in denen sie das Duschen genießt und mit dem Schlauch spielt. Rose bleibt weiterhin pingelig und rührt ihre Karotten nicht an, Long isst alles, was sichtbar ist und hat noch immer Spaß bei seinen geliebten Wasserspielen, Hoa liebt ihren neuen Ernährungsplan, aber bleibt unschlüssig hinsichtlich ihrer Umgebung und wiegt ihren Kopf hin und her, Quang Yen lässt einiges von ihrem Gemüse übrig und ist in manchen Momenten am „Zähneklappern“, während Tuffy ihre Karotten, Süßkartoffeln und ihr Kraut liebt und dennoch manchmal warnend schnattert.
All dies ist noch in den nächsten Wochen zu erwarten, während sie sich einleben und endlich verstehen, dass die Anwesenheit von Menschen nicht länger Schmerz für sie bedeutet. Da wir auf der ersten Farm kürzlich weggeworfene Spritzen, Nadeln, Drahtschlingen und leere Flaschen Antibiotika gefunden haben, glauben wir, dass noch bis zu dem Tag, an dem wir ankamen, diesen Bären auf illegale und schmerzhafte Weise Gallensaft abgenommen wurde.
Unser größter Dank gilt wie immer Ihnen, unseren Freunden und Unterstützern – dafür, dass sie auf dieser Mission dabei bleiben: Aus Liebe zu den Bären, die so grausam ausgenützt werden – bis die Grausamkeiten ein Ende haben …
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Sieben Bären werden gerettet, während Vietnam das Beenden des Gallenhandels ernst nimmt.
Übersetzung ins Deutsche: Daniela Pade (Freiwillige Mitarbeiterin)
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