Überlegungen zu Hunden in China und Fortschritt
21. Juni 2016, 17:04
Erst vor kurzen haben wir – ich und unser Hunde- und Katzenschutzteam – eine Konferenz in Xi’an (Shaanxi Provinz, China) abgehalten. Sie richtete sich speziell an Hundebesitzer sowie deren gesetzliche Vertreter und behandelte verschiedenste Aspekte rund um artgerechte und humane Haltung. Co-Sponsor war HSI. Die Konferenz stellte in China die bislang größte ihrer Art dar. Diskutiert wurden gesetzliche Regulierungen, politische Ausrichtungen, tierärztliche Eingriffe, Krankheitsvorbeugung, öffentliche Aufklärungsarbeit, die Zusammenarbeit verschiedener Tierschutzorganisationen und der Nutzen von Öffentlichkeitsarbeit, Medienunterstützung sowie mobiler Applikationen für diese.
Seit 2009 haben bereits mehr als 320 Regierungsvertreter an unserer Konferenz teilgenommen. Sie sind zumeist als gesetzliche Repräsentanten der Hundehalter ihrer Stadt oder Region vertreten. So konnten wir bisher offizielle Vertreter von insgesamt 46 Städten in ganz China sowie alle relevanten Nichtregierungsorganisationen begrüßen. Allein in diesem Jahr zählten wir 150 Regierungs- und Tierschutzvertreter aus über 35 Städten, die angeregt über die Themen der Konferenz debattierten. Ein gemeinschaftlicher Prozess, der von innen nach außen wirkt.
Konferenz zur Artgerechten Hundehaltung 2016 – Regierungs- und Tierschutzvertreter
Gleichzeitig war das Hundefleischfest von Yulin wieder groß in den Medien.
Es ist wichtig anzuerkennen, dass in China bereits sehr viel diskutiert und in die Hand genommen wird. Hier einige Auszüge aus der aktuellen Berichterstattung:
„Gezwängt in rostige Käfige, dann verschachert, gehäutet, gekocht und gegessen. Verkäufer zerhacken Hundekörper und selbst hilflose, kleine Welpen warten vor dem Metzgermesser des jährlichen, barbarischen Hundefleischfestivals in Yulin.“
Quelle – Animals sold ahead of annual Yulin festival
“Um vorwärts zu kommen, gilt es sich um ein Gespräch zu bemühen, nicht Hundefleischessern vom hohen Ross herunter Vorhaltungen zu machen. Statt in teure Medienkampagnen zu investieren, sollte das Geld dazu genutzt werden, die Drahtzieher im Hintergrund zu entmachten oder um mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Tollwut und Diebstahl: Die Hundefleischesser müssen über Herkunft und gesundheitliche Bedenklichkeit der Hunde, die sie verzehren, informiert werden.
Quelle – Yulin dog meat festival - Don't judge China...
Genau diese Strategie verfolgt Animals Asia. Unser Team hat sich mit den Beamten von Yulin getroffen und ihnen die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen vorgelegt. Sie beweisen eindeutig, dass die so grausam während des Festivals getöteten Hunde – zusammen mit zehntausenden Tieren in ganz China – schlichtweg von der Straße oder ihren liebenden Familien gestohlen wurden. Oftmals nutzen die Diebe sogar Gift, um die Hunde ruhig zu stellen.
Dem Hundefleischhandel auf den Versen - Animals Asia's Ermittlungen
Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung in naher Zukunft den Hundefleischkonsum verbietet – zu sehr wird er noch von der Allgemeinheit toleriert. Zudem sollen soziale Auseinandersetzungen mit jenen vermieden werden, die den Hundefleischverzehr als kulturelles Recht verstehen. Ebenso wie Westler irritiert wären, wenn man ihnen erklärte, sie dürfen sich nicht gegen eine ihrer Meinung nach geschmacklose Praktik engagieren, könnten auch die Chinesen reagieren. Es könnte passieren, dass einige lediglich aus dem Grund heraus, nicht moralisch bevormundet werden zu wollen, Partei für den Hundefleischkonsum ergreifen. Denn genau das passierte vor sieben Jahren in Südkorea, als internationale Proteste gegen den Hundefleischverzehr vermehrt auftraten. Koreanische Studenten gingen so weit, zu drohen, mehr Hundefleisch zu essen. Damit wollten sie gegen den westlichen Imperialismus und die damit einhergehenden kulturellen Interferenzen aufbegehren.
Ausgewiesener Hundefleischbereich der Markthalle in Yulin
Tatsächlich distanziert sich die chinesische Regierung mehr und mehr vom Hundefleischkonsum und macht das Leben der Händler und Zulieferer zunehmend schwerer. In Yulin ist es Restaurants bereits verboten, öffentlich für das Hundefleisch zu werben und keinem Regierungsvertreter ist es erlaubt, am Festival teilzunehmen. Die gemeldeten Zahlen hinsichtlich gestohlener und gegessener Hunde in Yulin hat sich von etwa 10.000 (2013) auf 1.000 (2016) reduzieret.
Eine deutlich gestiegene Menge von Tierquarantäne-Polizisten überprüfen Märkte und Restaurants in Yulin
Auch lokale Gruppen unterstützen die Regierung aktiv: Sie sammeln Beweismittel für den Diebstahl der Hunde, spüren die Fahrer der Hundetransporter auf und zeigen sie an. Eine Reiseerlaubnis oder gar Lizenz für die Tierverfrachtung haben diese so gut wie nie. Hinzu kommen die fehlenden Quarantänebescheinigungen.
Ein Marktstand in Yulin – Hund, Katze und Esel im Angebot
Hunde zu essen, fällt rechtlich gesehen in eine Grauzone. Zwar ist es legal Hundefleisch zu konsumieren, dennoch gibt es keinerlei Regulierungen zu Schlachtung, Transport und Quarantäne der Tiere. Das schlimmste was jedoch passieren könnte wäre, dass der Handel künftig reguliert wird. Denn Regulierung, bedeutet anerkannte Legalisierung. Das würde nicht einzig die Arbeit derer, die den Hundefleischhandel in Ländern wie Singapur, Thailand, Taiwan und Hong Kong erfolgreich abgeschafft haben untergraben, sondern auch die Bemühungen von mehr als 150 lokalen Tierschutzgruppen in China selbst. Durch die Regulierung würde zwar der Hundediebstahl abnehmen, dennoch ginge die Schlachtung unter denselben grausamen Bedingungen weiter – dann allerdings in einer legalen Industrie, der noch schwerer beizukommen wäre.
Hundefleischstand in Yulin
Währenddessen trägt unsere Konferenz in Xi'an Früchte. Die Zusammenarbeit zwischen lokalen Tierschutzgruppen und Ämtern nimmt landesweit zu. Manche Regierungsstellen unterstützen die Tierschützer mittlerweile sogar, indem sie Streuner direkt einfangen und im nächsten Tierheim abgeben. Kommen die Straßenhunde in eine regierungsbetriebene Sammelstelle, erlauben sie den Tierschützern mittlerweile Besuche und aktive Vermittlungsversuche. Andere Regierungsstellen senken die Kosten für die Hunderegistrierung und
-lizensierung sowie die Restriktionen zu Anzahl und Größe der in einem Haushalt erlaubten Tiere. Beispielsweise waren Golden Retriever oder Labradore aufgrund ihrer Größe in urbanen Gegenden völlig verboten. Nun aber wurde verstanden, dass der Charakter eines Hundes nicht unweigerlich mit seiner Größe zusammenhängt, sondern viel mehr mit seiner Rasse und Erziehung.
Außerdem halten Ämter, unterstütz von lokalen Tierschutzgruppen, mittlerweile eigenständige Hunde-Management-Tage ab. Dort ermuntern sie die Bürger, ihre Hunde zu registrieren und zu impfen. Zudem gibt es Tipps, wie man sich richtig um seinen Hund kümmert, um Lärmbelästigung in der Nachbarschaft zu vermeiden. Alles in allem vielleicht noch nicht ideal, aber dennoch ein großer Schritt in eine richtige – humane – Richtung.
Mr. Zeng, Direktor des kommunalen Hundeasyls in Nanning, stellt die dortige Hunde-Management-Arbeit vor
Selbstverständlich kam auch das Thema Hundefleischkonsum während der Konferenz auf. Neben dem sozialen Aspekt, welche der Hundediebstahl für die betroffenen Personen und Familien bedeutet, wurden insbesondere gesundheitliche Risiken des provinzübergreifenden Hundetransports diskutieret. Vor allem die häufigen Cyanid-vergiftungen und möglichen Krankheiten und Seuchen wie etwa Parvovirose, Hundestaupe und Tollwut kamen mehrfach zur Sprache. Ein Vertreter des Amts für öffentliche Sicherheit beteuerte daraufhin, dass künftig mehr gegen kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Hundehandel getan würde.
Zunehmend mehr Menschen in China sorgen sich um Hunde und Katzen. Neben der Lebensbereicherung, die sie im privaten darstellen, verstehen auch immer mehr Menschen die Vorteile, welche die Tiere der Gesellschaft bringen. Blindenhunde sind mittlerweile nicht mehr nur akzeptiert, sondern weitestgehend gerne gesehen. Ebenso verhält es sich mit Rettungshunden für Erdbeben oder anderweitige Ausnahmezustände.
„Sag NEIN zu Hunde- und Katzenfleisch”-Poster von Animals Asia - Tierkrankenhaus Yulin
Unser Therapiehundeprogramm Dr. Dog ist darüber hinaus äußerst beliebt. Vor allem Waisen- und Krankenhäuser sowie Einrichtungen für ältere und beeinträchtigte Menschen nehmen gerne dessen Dienste in Anspruch. Unsere Hunde rackern sich dort „den Schwanz ab”. Denn sie tun ihr Bestes, um den Bewohnern genau das zu geben, was sie brauchen: einen einzigartigen Freund, der ihnen bedingungslose Liebe schenkt.
Ebenfalls gerne gesehen, sind unsere Professor-Pfote-Hunde aus dem Erziehungssektor. Sie „unterrichten” temporär an Schulen. Nach einer gewissen Anzahl absolvierter Stunden können die Schüler graduieren. Ihr neugewonnener Abschluss bezeugt, dass sie sich nunmehr ausgezeichnet mit der Körpersprache von Hunden auskennen, wissen wie man sich fremden Tieren angemessen nähert und dass sie eine allgemeine Vorstellung vom praktischen, humanen Umgang mit den vierpfötigen Freunden besitzen. Akademische Gruppen wie das CARIC (Companion Animal Research and Information Centre – Forschungs- und Informationszentrum für Haustiere) in Beijing betonen ebenfalls, dass Tiertherapieprogramme und solche wie Professor Pfote hervorragende Ergebnisse aufweisen.
Resümierend ist zu sagen, dass immer mehr Menschen in China Haustiere halten und lieben. Auch sie sind geschockt und außer sich über die Tierdiebe. Wir werden weiterhin eng mit lokalen Tierschutzgruppen zusammenarbeiten. Denn diese kenne ihr Land und ihre Gesetze am besten. Durch Zusammenschlüsse direkt im Land sehen wir unmittelbar wie mehr und mehr Menschen Mitleid und ein Gerechtigkeitsgefühl gegenüber Hunden und Katzen entwickeln. Für Hunde, die insbesondere dazu in der Lage sind, Menschen in physischen und psychischen Notlagen zu stützen – und teils auch ihr Leben dafür geben – steigt der Respekt.
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